Informations- und Kommunikationstechnik

Die Kompensation von Blindwiderständen

Dem Wechselstromnetz wird nicht nur Wirkleistung entnommen. Viele Geräte wie Motoren und Transformatoren haben induktive Eigenschaften. Sie belasten das Versorgungsnetz zusätzlich mit Blindstrom, der entnommen und wieder zurückgegeben wird. Es pendelt Blindleistung im Stromnetz hin und her und wird vom normalen Energie(Strom)zähler nicht erfasst. Das Leitungsnetz muss allerdings für den Gesamtstrom und der Gesamtleistung bemessen sein.

Damit beispielsweise Motoren oder Komponenten mit induktiven Baugruppen funktionieren, müssen sie mit Blindstrom versorgt werden. Wenn dieser Blindstrom vor dem Zurücksenden ins Versorgungsnetz gespeichert wird, dann kann er aus dem Speicher während der nächsten Halbperiode wieder verwendet werden. Das Versorgungsnetz bleibt weitgehend frei vom Blindstrom. Die Phasenlage von 90° zwischen Spannung und Strom ist bei induktiven- und kapazitiven Blindwiderstände gegensätzlich. Für induktive Baugruppen bieten sich kapazitive Baugruppen zur Zwischenspeicherung an. Beide verhalten sich bei angepasster Dimensionierung genau gegensätzlich. Eine kompensierte R-L-C-Schaltung verhält sich von außen betrachtet wie ein ohmscher Widerstand und nimmt nur Wirkleistung auf. Im Bereich der Endverbraucher wird sehr oft die Parallelkompensation angewendet.

Blindstromkompensation durch Parallelkompensation

Die Beleuchtungstechnik mit Leuchtstofflampen bietet ein einfaches Beispiel zur Parallelkompensation. Die früher auch angewendete Reihenkompensation ist seit vielen Jahren in der Europäischen Union verboten. Leuchtstofflampen benötigen zur Zündung und zum dauerhaften Betrieb ein induktives Vorschaltgerät, meist eine Drosselspule. Für Leuchtstofflampen (Quecksilber-Niederdrucklampe) sind zum Teil technische Daten zu finden. Für eine 1,2 m lange Leuchtstoffröhre wird die Nennleistung mit 39,4 W, die Betriebsspannung von 103 V und die Stromaufnahme von 0,43  angegeben. Die Werte sind mathematisch nicht vollkommen passend und der zur Lampe angegebene Wert von 36 W ist niedriger. Dieser im Verkauf ausgewiesene Leistungswert wird als Bemessungsleistung bezeichnet. Die Parallelkompensation der Vorschaltdrossel wird für die Installationswerte der Leuchstoffröhre berechnet, die sich im Betriebsfall als ohmscher Widerstand verhalten soll.

Leuchtstofflampe

Die Vorschaltdrossel begrenzt die 230 V Netzspannung auf die Betriebsspannung der Leuchtstoffröhre. Der Eingangsstrom ist die Bezugsgröße der R-L-Reihenschaltung. Die Spannung an der Lampe liegt mit dem Strom in Phase, die Spannung an der Drosselinduktivität bildet mit der Lampenspannung den Phasenwinkel 90°. Zwischen der Eingangsspannung und dem Eingangsstrom gibt es einen Phasenwinkel. Er kann mithilfe des Zeigerdiagramms berechnet werden, da zwischen der Eingangsspannung und der Lampenspannung UR der gleiche Phasenwinkel besteht: \[\begin{array}{l} {U_{ein}} = \sqrt {U_{Dr}^2 + U_R^2} \\ {U_{Dr}} = \sqrt {U_{ein}^2 - U_R^2} = \sqrt {{{(230\,V)}^2} - {{(103\,V)}^2}} = 205,6\,V \end{array}\] Der Phasenwinkel kann jetzt ebenfalls berechnet werden: \[\varphi = \arctan \left( {\frac{{{U_{Dr}}}}{{{U_R}}}} \right) = \arctan \left( {\frac{{205,6\,V}}{{103\,V}}} \right) = {63,4^o}\] Es fließt ein bekannter Reihenstrom, sodass mit den Teilspannungen Spannungen an der Drossel und der Lampe deren Widerstandswerte berechnet werden können: \[\begin{array}{l} {X_L} = \frac{{{U_{Dr}}}}{{{I_{ein}}}} = \frac{{205,6\,V}}{{0,430\,A}} = 478\,\Omega \\ R = \frac{{{U_R}}}{{{I_{ein}}}} = \frac{{103\,V}}{{0,430\,A}} = 239,5\,\Omega \end{array}\] Die Induktivität der Drossel errechnet sich zu: \[{X_L} = 2\,\pi \,f\,L\quad L = \frac{{478\,\Omega }}{{6,28 \cdot 50\,Hz}} = 1,52\,H\] Die Messergebnisse der Simulationsschaltung für die Betriebsdaten der Leuchtstoffröhre werden mit der berechneten Induktivität bestätigt.

Ein parallel geschalteter kapazitiver Blindwiderstand kann den Blindstrom für die Drossel nach außen hin kompensieren. Der Kapazitätswert muss für die Betriebsfrequenz und dem Wert des Drossel-Blindwiderstands berechnet sein. Im Zeigerdiagramm sind die Phasenlagen zwischen dem induktiven und kapazitiven Blindwiderstand invers zueinander. Sind die Werte der beiden Blindwiderstände gleich, so heben sie sich im Zeigerdiagramm auf und wirksam bleibt nur der Zeiger des ohmschen Widerstands. Zwischen Kondensator und Drossel fließt weiterhin ein Blindstrom, gelangt aber nicht ins Versorgungsnetz.

Zum leichteren Verständnis ohne ein Zeigerdiagramm für eine gemischte Parallel-Reihenschaltung zu konstruieren, wird die Reihenschaltung des induktiven Drosselwiderstands mit der eingeschalteten und leitenden Leuchtstofflampe, die als ohmscher Widerstand angenommenen wird in eine äquivalente Parallelschaltung umgerechnet. Die Umrechnung ergibt die folgenden Werte: \[\begin{array}{l} Z = \frac{{{U_{ein}}}}{{{I_{ein}}}} = \frac{{230\,V}}{{0,430\,A}} = 535\,\Omega \\ {R_{par}} = \frac{{{Z^2}}}{{{R_{rei}}}}\quad {R_{par}} = \frac{{{{(535\,\Omega )}^2}}}{{239,5\,\Omega }} = 1,195\,k\Omega \\ {X_{L\,par}} = \frac{{{Z^2}}}{{{X_L}}}\quad {X_{L\,par}} = \frac{{{{(535\,\Omega )}^2}}}{{478\,\Omega }} = 598,8\,\Omega \\ {X_{L\,par}} = 2\,\pi \,f\,{L_{par}}\quad {L_{par}} = \frac{{598,8\,\Omega }}{{6,28 \cdot 50\,Hz}} = 1,9\,H\\ \varphi = \arctan \left( {\frac{{{R_{par}}}}{{{X_{L\,par}}}}} \right) = \arctan \left( {\frac{{1195\,\Omega }}{{598,8\,\Omega }}} \right) = {63,4^o} \end{array}\]

Äquivalentschaltung

Die Simulationsschaltung zeigt, dass der Phasenwinkel zwischen der Eingangsspannung und dem Eingangsstrom gleich geblieben ist. Auch die Wirkleistung hat in der äquivalenten Parallelschaltung den gleichen Wert. Der Äquivalenzschaltung wird ein Kondensator mit dem Wert des oben berechneten Drosselwiderstands XLpar parallel geschaltet. Die Kapazität berechnet sich zu: \[{X_C} = \frac{1}{{2\,\pi \,f\,C}}\quad C = \frac{1}{{6,28 \cdot 50\,Hz \cdot 598,8\,\Omega }} = 5,3\,\mu F\]

Für diese Simulationsschaltung werden die Zweigströme und der aufgenommene Gesamtstrom gemessen. Im Zeigerdiagramm der RLC-Parallelschaltung ist die gegenseitige Kompensation für beide Blindwiderstände zu erkennen. Die Bezugsgröße ist die an allen Bauteilen gleiche Eingangsspannung. Der Strom im Kondensatorzweig hat dazu eine +90° und der Drosselstrom eine −90° Phasenlage. Am ohmschen Widerstand der Leuchtstofflampe ist der Phasenwinkel null. Da beide Blindströme zueinander genau entgegengesetzt sind, fließt von außen nur der Wirkstrom in die Schaltung, während zwischen der Drossel und dem Kondensator weiterhin hohe Blindströme pendeln.

kompensierte Äquivalentschaltung

Da die Reihenschaltung des Beleuchtungsmoduls und ihre parallele Äquivalentschaltung gleiche Eigenschaften zeigen, liegt die Vermutung nahe, dass ein zur Reihenschaltung paralleler Kondensator der berechneten Kapazität zur Kompensation geeignet ist. Die Simulationschaltung mit diesem parallel geschalteten Kondensator liefert die folgenden Messergebnisse.

Parallelkompensation für Leuchtstofflampe

Die ursprüngliche nicht kompensierte Schaltung belastete das Versorgungsnetz mit 0,43 A. Mit Parallelkompensation ist der Eingangsstrom mit 0,193 A niedriger. Der Strom durch die Reihenschaltung von Drossel und Leuchtstofflampe ist mit 0,43 A gleich geblieben. In beiden Schaltungen ist die Betriebsspannung der Lampe mit 103 V gleich. Mit Kompensation sind Eingangsspannung und Eingangsstrom phasengleich und es wird nur Wirkleistung aufgenommen: \[{P_{wirk}} = {U_{ein}} \cdot {I_{ein}} = 230\,V \cdot 192,5\,mA = 44,3\,W\] Dieser Wert entspricht dem, der aus den angegebenen Installationsdaten des Herstellers berechnet werden kann. Mit einer Parallelkompensation wird Folgendes erreicht:

Das kompensierte System verhält sich nach außen wie ein Wirkwiderstand.
Die aufgenommene Wirkleistung wird von der Kompensation nicht verändert.
Die optimale Kompensation verhindert die Aufnahme von Blindleistung.
Innerhalb des kompensierten Systems fließen weiterhin hohe Blindströme.

Reihenkompensation

In der Nachrichtentechnik wird die Reihenkompensation speziell bei Breitbandverstärkern angewendet. Besonders im hohen Frequenzbereich wirken die parasitären Eigenschaften der normalerweise als ideal angenommenen Widerstände, Induktivitäten und Kapazitäten. Leiterbahnen und Verdrahtungen haben induktive Eigenschaften, parallele Leiterbahnen und pn-Übergänge bei Halbleitern haben kapazitive Eigenschaften. Zusammen mit Widerständen entstehen Tiefpässe, die zur Herabsetzung der oberen Grenzfrequenz und einer Verringerung der Bandbreite von Verstärkern führen. Weitere Anwendungsgebiete für die Reihenkompensation sind genau definierte Frequenzfallen und letztlich der Reihenschwingkreis.

Hier wird nur die Kompensation von Schaltkapazitäten näher untersucht. Die nicht kompensierte Schaltung kann als Reihenschaltung von Wirkwiderstand und Kondensator gesehen werden. Das Ausgangssignal liegt parallel zur Kapazität, wodurch die hohen Frequenzbereiche stark gedämpft werden. Der kapazitive Blindwiderstand kann durch einen zusätzlich in Reihe geschalteten induktiven Blindwiderstand kompensiert werden. Eine Parallelkompensation kann nicht angewendet werden, da eine parallel geschaltete Spule die niedrigen Frequenzbereiche dämpft. Die Schaltung entspricht dann einem stark gedämpften Parallelschwingkreis.

Mit einem Simulationsprogramm wird ein niederohmiger Verstärker mit 500 pF Schaltkapazität im Leerlauf untersucht. Im Bodediagramm ist der jeweilige Amplitudenfrequenzgang dargestellt. Die berechnete Grenzfrequenz ist fg = 3,18 MHz beim Phasenwinkel von φ = −45°. Nach der Kompensation wird eine Grenzfrequenz von fg-komp = 4,45 MHz gemessen. Der Phasenwinkel hat den Wert φ = −90°. Die Ausgangsspannung parallel zum (idealen) Kondensator eilt dem Bezugsstrom der Reihenschaltung um diesen Winkel nach. Die Bandbreite der kompensierten Schaltung ist um 39% verbessert. Nach der Kompensation nimmt die Ausgangsspannung mit 12 dB / Oktave doppelt so schnell ab. Das System verfügt jetzt über zwei Speicherglieder und kann als Pass 2. Ordnung gesehen werden.

Reihenkompenstion, Bodediagramm

Die Zeigerdiagramme zeigen, dass sich das kompensierte System an seiner oberen Grenzfrequenz wie ein Wirkwiderstand verhält. Beide Blindwiderstände sind gleich groß und kompensieren sich gegenseitig, sodass sie von außen betrachtet scheinbar nicht vorhanden sind. Durch die Reihenkompensation verbessert sich mit der höheren oberen Grenzfrequenz die Bandbreite.