Der Kondensator im Gleichstromkreis
An einer konstanten Gleichspannungsquelle wird über einen ohmschen Vorwiderstand ein Kondensator aufgeladen. Während des Ladevorgangs werden gleichzeitig Strom und Spannung am Kondensator als Funktion der Zeit gemessen. Die Auswertung zeigt, dass innerhalb gleicher Zeitintervalle Strom und Spannung keinen linearen Verlauf haben. Nach der Beschreibung des Widerstandsverhaltens eines Kondensators im Gleichstromkreis folgen Hinweise zu Kondensatoren in Reihenschaltung und Kondensatoren in Parallelschaltung. Während der Ladezeit werden elektrische Ladungen transportiert. Die Ladungsänderung pro Zeitintervall ist gleich dem elektrischen Strom. Im Zeitintervall (Δt) errechnet sich die durch den Vorwiderstand transportierte Ladungsmenge zu:
- ΔQ = I(t) · Δt
- Der Kondensator wird mit ΔQ etwas aufgeladen, wobei sich seine Spannung um ΔU verändert.
- ΔQ = C · ΔU
- Die Ladungen ΔQ sind gleich, also sind auch die rechten Seiten beider Gleichungen gleich.
- I(t) · Δt = C · ΔU
- Der Strom kann durch die Spannung und den Vorwiderstandswert ersetzt werden.
- Δt · U(t) / R = C · ΔU
- Nach R·C aufgelöst, erkennt man, dass dieses Produkt die Dimension der Zeit in s hat.
- Δt · U(t) / ΔU = R · C
- R·C ist als Zeitkonstante definiert und erhält den griechischen Buchstaben τ (tau).
Die Zeitkonstante τ = R · C
Die Zeitkonstante τ ist unabhängig von Strom und Spannung und sagt etwas über die Geschwindigkeit aus, mit der die Ladevorgänge eines Kondensators in der RC-Reihenschaltung erfolgen. Ist die Kapazität vorgegeben, so dauert die Aufladung umso länger, je größer der Widerstandswert ist. Ebenso dauert der Ladevorgang bei einem größeren Kapazitätswert bei gleichem Vorwiderstand länger. Die Lade- und zugehörigen Entladevorgänge können im folgenden Videoclip für drei unterschiedliche R-C-Kombinationen betrachtet werden.
Der Vorwiderstand R begrenzt den Ladestrom. Wird zum Zeitpunkt t = 0 der Stromkreis geschlossen, so ist die anliegende Quellenspannung nur über dem Widerstand messbar. Bei t = 0 hat der Kondensator noch keine Ladung und mit 0 V keine Spannung. Je mehr Ladung transportiert wird, desto höher wird die Spannung am Kondensator. Da R und C eine Reihenschaltung bilden, muss sich die Spannung am Widerstand nach dem ohmschen Gesetz entsprechend verringern. Da R konstant ist, muss bei kleinerem UR der Strom abnehmen. Ist die Spannung am Widerstand auf den halben Anfangswert gesunken, so ist auch der Ladestrom nur noch halb so groß. In der Zeit t = t1 hat der Kondensator die Ladung Q1 = C·0,5·U (Gl.1) aufgenommen.

Im Strom-Zeit-Diagramm dargestellt entspricht die Fläche unter der Kurve der Kondensatorladung. Die graue Fläche ist ein Trapez mit dem Flächeninhalt:
Q1 = (1 + 0,5)·0,5·I0·t1 = 0,75·I0·t1
Mit I0 = U / R und der Gl.1 von oben folgt
t1 = 0,667·R·C
Diese Zeit wird Halbwertzeit th des RC-Glieds genannt.
th = 0,7·R·C = 0,7·τ
Erfolgt die Aufladung an einer Konstantspannungsquelle, so kann während der ersten Halbwertzeit der Stromverlauf als weitgehend linear angenommen werden. Genau genommen ist der Ladestrom in keinem Abschnitt linear. Der Rundungsfaktor 0,7 eine sehr gute Näherung zum tatsächlichen Stromverlauf. Das folgende Diagramm stellt den genauen Ladevorgang eines Kondensators dar. Nach rund sieben Halbwertzeiten kann für die anliegende Spannung der Kondensator als aufgeladen betrachtet werden. Die exakten Endwerte von 0 % für den Strom und 100 % für die Spannung am Kondensator werden nie erreicht. Beide Kurven nähern sich asymptotisch ihren Endwerten.

Nach Ablauf einer Halbwertzeit th hat der Ladestrom noch 50 % seines Anfangswerts. Die Spannung am Kondensator ist auf 50 % des Endwerts gestiegen. Nach Ablauf einer weiteren Halbwertzeit hat der Ladestrom auf 25 % abgenommen und die Kondensatorspannung hat 75 % ihres Endwerts erreicht. Die nach der ersten Halbwertzeit verbliebenen 50 % haben sich erneut halbiert. Für jede weitere Halbierung der verbleibenden Prozente vergeht stets eine Halbwertzeit. Nach sieben Halbwertzeiten ist der Ladestrom praktisch auf null gefallen und der Kondensator hat die maximale Spannung erreicht.
Kurvenzüge mit gleich großen Halbwertzeiten werden mathematisch durch natürliche Funktionen, den Exponentialfunktionen, abgekürzt e-Funktionen, beschrieben. Viele Naturvorgänge, wie z. B. der radioaktive Zerfall, Erwärmungs- und Abkühlungsprozesse und biologisches Zellwachstum folgen solchen e-Funktionen.
Im Diagramm oben ist auf der Zeitachse auch die Zeitkonstante τ des RC-Glieds eingetragen. Nach Ablauf einer Zeitkonstanten 1·τ ist der Ladestrom auf 37 % seines Anfangswertes gefallen und die Ladespannung auf 63 % ihres Endwertes gestiegen. Nach Ablauf von 5·τ entsprechend sieben Halbwertzeiten 7·th ist der Ladevorgang praktisch beendet. Diese Zeit wird als Einschaltzeit des RC-Glieds bezeichnet.
Bei der Entladung verläuft die Strom- und Spannungskurve ebenfalls nach einer e-Funktion. Nach 5·τ sind die Kurven auf unter 1 % ihres Anfangswertes gefallen. Diese Zeit wird Ausschaltzeit des RC-Glieds genannt. Beim Entladen fließt der Strom in entgegengesetzter Richtung durch den Widerstand, da der geladene Kondensator die Spannungsquelle ist und von der äußeren DC-Quelle getrennt ist.
Das Diagramm zeigt, dass beim noch ungeladenen Kondensator im Einschaltmoment der maximale Strom fließt und am Kondensator keine Spannung messbar ist. Nach dem ohmschen Gesetz verhält sich der Kondensator wie ein Kurzschluss oder Widerstand mit 0 Ω. Nach Ablauf der Aufladezeit mit rund 5 ·τ nimmt der Kondensator keine weitere Ladung mehr auf und es fließt kein nennenswerter Strom. Im Gleichstromkreis verhält sich der Kondensator wie ein Widerstand mit extrem hohem Wert vergleichbar mit einer Unterbrechung. Für den Wechselstromwiderstand eines Kondensators gibt es ein eigenes Kapitel.
Im Einschaltmoment verhalten sich ungeladene Kondensatoren wie ein Kurzschluss.
Im Gleichstromkreis verhalten sich auf die Endspannung geladene Kondensatoren wie eine Unterbrechung. Ihr Widerstandswert ist extrem groß.
Innerhalb der Zeitkonstante 1·τ eines RC-Glieds wird ein Kondensator auf 63 % seines Endwertes aufgeladen oder auf 37 % seines Anfangswertes entladen.
Nach 5·τ gilt ein Kondensator als praktisch vollständig auf- bzw. entladen. Diese Zeit wird auch als Einschalt- oder Ausschaltzeit des RC-Glieds bezeichnet.
Der Lade- und Entladevorgang wird durch e-Funktionen beschrieben. Die Halbwertzeit beträgt th = 0,7·τ
Die e-Funktionen des Lade- und Entladevorgangs

Mathematische Herleitungen
Die Herleitung einer e-Funktion für den Lade- und Entladeprozess geht normalerweise über das berufliche duale Ausbildungsniveau hinaus. Es handelt sich um das Lösen von Differentialgleichungen, wobei das Verfahren hier noch gut nachvollziehbar bleibt. Der Ladestromkreis stellt eine Masche dar. Für sie gilt, dass die Summe aller auftretenden Spannungen immer null ist. Beim Ladevorgang fließt ein sich zeitlich ändernder Strom I(t). Nach dem ohmschen Gesetz kann die Spannung am Ladewiderstand durch das Produkt aus dem Strom und dem Widerstandswert ersetzt werden. Die Ladung, die auf einen Kondensatorbelag transportiert wird, fließt im geschlossenen Stromkreis vom Gegenbelag ab. Dadurch bildet sich zwischen den Belägen die Kondensatorspannung UC als Potenzialdifferenz. Sie ist proportional zur aufgebrachten Ladung Q mit der Kapazität C des Kondensators als Proportionalitätskonstante. Wird die Gleichung nach der Zeit abgeleitet, dann wird aus der sich zeitlich ändernden Ladung Q(t) der Strom I(t).
In der Differentialgleichung (DGL) Gl.(1) gibt es mit I(t) eine Funktion des Stroms I abhängig von der Zeit und der ersten Ableitung dieser Funktion. Als Lösungsansatz kann eine Exponentialfunktion gewählt werden, da ihre Ableitung gleich der Funktion ist. Gewählt wird die allgemeine e-Funktion Gl.(2) und in die DGL eingesetzt. Die Konstante k kann berechnet werden. Beim anfangs ungeladenen Kondensator ist zum Zeitpunkt t = 0 die Spannung UC = 0. Der Strom I(t=0) = I0 kann nach dem ohmschen Gesetz durch die Quellenspannung U und dem Ladewiderstand R ersetzt werden. Das Ergebnis ist die e-Funktion des Stromverlaufs beim Aufladen eines Kondensators an konstanter Gleichspannung.

Die zeitliche Änderung der Spannung am Kondensator UC(t) kann mithilfe der Maschengleichung und dem Ladestrom hergeleitet werden. Da in der Reihenschaltung der gleiche Strom durch den Vorwiderstand R fließt, kann die sich zeitlich ändernde Spannung an R nach dem ohmschen Gesetz ersetzt werden. Nach kurzer Umformung folgt die gewünschte Formel für den Spannungsverlauf am Kondensator.
Die mathematische Herleitung der Entladeformeln verläuft ähnlich. Der Kondensator ist auf die Spannung U aufgeladen und wird über den Widerstand R entladen. Dieser Stromkreis bildet für die Spannungen eine Masche. Die Kondensatorspannung ist proportional zu seiner Ladung Q. Die Spannung an R ist proportional zum Entladestrom, der die erste Ableitung nach der Zeit ist. Diese Teilgleichungen führen zur homogenen Differentialgleichung, mit der Funktion Q(t) und ihrer Ableitung. Ein Lösungsverfahren erfolgt durch Trennung der Variablen. Beide Seiten der Gleichung können integriert werden und liefern damit die Umkehrung zu den Ableitungen. Es sind nur die Anfangsgrenzen der Integration bekannt. Die oberen Endgrenzen sind unbestimmt und somit variabel. Zu Beginn t = 0 der Entladung ist der Kondensator mit auf Qo geladen. Das Integral links hat als Stammfunktion die ln-Funktion. Nach dem Einsetzen der Grenzen wird umgeformt und für beide Seiten die e-Funktion geschrieben.

Mit dem Umformen ergibt sich die zeitliche Ladungsänderung bei der Entladung. Zum Zeitpunkt t = 0 hat der Kondensator die Anfangsladung und nach sehr langer Zeit t→∞ geht die Ladung gegen null. Da die Spannung am Kondensator proportional zu seiner Ladung ist, folgt direkt daraus der zeitliche Spannungsverlauf bei der Entladung. Für den Stromverlauf wird die Funktion der Ladungsänderung nach der Zeit abgeleitet. Die linke Gleichungsseite ergibt den Strom I(t) und auf der rechten Seite bleibt die e-Funktion erhalten und wird mit ihrer inneren Ableitung multipliziert.
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