Komplexe Rechnung in der Elektronik
Dieses Kapitel behandelt in mehreren Untertiteln wichtige und notwendige Basisinformationen zur komplexen Rechnung im Elektronikbereich. Es gibt einen Videoclip zu Zeigerdiagrammen in ihrer Komponenten- und Exponentialform. Es werden die vier Grundrechenarten für komplexe Zahlen bechrieben.
Das kartesische Koordinatensystem
In der Ebene kann die Lage eines Punktes mithilfe geeigneter Koordinatensysteme eindeutig beschrieben werden. Am bekanntesten ist dabei das rechtwinklige Koordinatensystem, das auch kartesisches Koordinatensystem genannt wird. Die Ebene wird durch zwei Achsen aufgespannt, wo auf der waagerechten x-Achse senkrecht die y-Achse steht. Der Achsenschnittpunkt ist der Koordinatenursprung mit dem Wertepaar (0;0). Die Lage eines Punktes in Bezug zum Nullpunkt wird durch zwei skalare Größen, den Koordinaten des Punktes mit P(x;y) bestimmt.
Das Polarkoordinatensystem
Die Lage eines Punktes zum Koordinatenursprung kann durch die skalare Streckenlänge r, dem Radius, gemessen vom Achsennullpunkt und einem Drehwinkel φ um diesen Nullpunkt bestimmt werden. Die Punktlage wird mit P(r;φ) angegeben. Der Koordinatenursprung wird nun Pol genannt. Die x-Achse wird zur Polachse, auf die sich der Drehwinkel φ bezieht. In diesem Polarkoordinatensystem ist der waagerecht nach rechts weisenden Polachse der Wert φ = 0 zugewiesen. Der Drehsinn für positive Winkel erfolgt linksdrehend entgegen dem Uhrzeigersinn.
Die Umrechnung zwischen beiden Koordinatensystemen verwendet Winkelfunktionen des rechtwinkligen Dreiecks. Hierbei bilden die Achsen des kartesischen Koordinatensystems den rechten Winkel. Die Voraussetzung ist, dass der Nullpunkt und der Polpunkt sowie auch die x-Achse mit der Polachse deckungsgleich liegen. Die folgende Skizze zeigt die Umrechnung:
Der Punkt P hat den Abstand r = 10 Einheiten vom Pol und liegt um φ =120° im 2. Quadranten. Die Projektionen von P auf die Achsen ergeben die Achsenabschnitte x und y und damit ein rechtwinkliges Dreieck mit r, der Hypotenuse. Der berechnete negative Drehwinkel weist auf den 2. Quadranten hin und muss zu 180° ergänzt werden.
Die Zeigerdarstellung in der Gaußschen Zahlenebene
In der Wechselstromtechnik sind zur eindeutigen Beschreibung von Strom oder Spannung zwei Komponenten notwendig. Neben dem Betrag ist auch die Phasenlage zu beachten. Zur grafischen Darstellung von Wechselgrößen sind daher Zeiger geeignet. Sie lassen sich mathematisch durch komplexe Zahlen beschreiben. Die Zeigerlagen sollten im Nullpunkt der Gaußschen Zahlenebene beginnen.
Die Gaußsche Zahlenebene wird durch ein rechtwinkliges Koordinatensystem mit einer waagerechten reellen Achse und einer senkrecht dazu stehenden imaginären Achse aufgespannt. Wie im kartesischen Achsensystem ist der Schnittpunkt beider Achsen der Nullpunkt. Jedem Punkt in der Ebene kann eindeutig eine komplexe Zahl Z zugeordnet werden.
Die imaginäre Einheit ist definiert als i2=−1. Man findet auch noch die ältere Darstellung i = √-1. In der Elektrotechnik wird der Buchstabe j verwendet, da dem elektrischen Strom traditionell der Buchstabe i zugewiesen ist.
Eine komplexe Zahl ist die Summe aus einer reellen Zahl und der Quadratwurzel einer negativen Zahl. Eine negative Zahl ist das Produkt ihrer positiven Zahl mit −1. Mit der folgenden Umformung erhält man für Z die komplexe Darstellung.
Die Komponentenform einer komplexen Zahl
Zur Unterscheidung von den herkömmlichen Zahlen werden komplexe Zahlen oftmals unterstrichen geschrieben. Sie besitzen einen Realteil und den Imaginärteil als Koeffizienten von j. Sowohl der Real- als auch der Imaginärteil sind reelle Zahlen. Die allgemeine Darstellung Z = x + y · j wird algebraische Schreibweise oder Normalform genannt. Eine komplexe Zahl kann ebenso in der trigonometrischen Darstellung geschrieben werden. Zwischen beiden Komponentenformen besteht ein definierter Zusammenhang.
In der zweidimensionalen Ebene kann jeder komplexen Zahl ein Zeiger zugeordnet werden. Er reicht vom Pol, dem Nullpunkt des Koordinatensystems, zu den Punktkoordinaten der komplexen Zahl. Damit erhält man eine Verbindung zum Polarkoordinatensystem und weiter zum kartesischen Koordinatensystem. Die Systeme sind zueinander isomorph.
Die Darstellung einer komplexen Zahl im Polardiagramm heißt trigonometrische Form. Der absolute Betrag und damit die Länge des Zeigers errechnet sich nach dem Satz des Pythagoras. Er wird Modul der komplexen Zahl genannt. Das Bogenmaß des Winkels, den der Zeiger mit der positiven reellen Achse bildet, wird als Argument der komplexen Zahl bezeichnet.
Das Argument φ einer bestimmten komplexen Zahl hat unendlich viele Werte. Sie unterscheiden sich um den Faktor n · 2 · π, wobei n ganzzahlig ist. Begründet ist das durch den periodischen Verlauf der arctan-Funktion. Bei allen Rechenoperationen wird eigentlich nur der Hauptwert des Arguments mit n = 1 benutzt.
Eine komplexe Zahl mit dem Imaginärteil gleich null ist ein Element der reellen Zahlen.
Eine komplexe Zahl mit dem Realteil gleich null ist ein Element der imaginären Zahlen.
Zwei komplexe Zahlen sind gleich, wenn sie im Realteil und im Imaginärteil übereinstimmen.
Bei komplexen Zahlen sind die Begriffe 'größer als' oder 'kleiner als' nicht definiert.
Zwei komplexe Zahlen sind gleich, wenn sie in ihren Real- und Imaginärteilen gleich sind.
Zwei komplexe Zahlen sind konjugiert komplex, wenn sie sich nur im Vorzeichen des Imaginärteils unterscheiden.
Die Exponentialform einer komplexen Zahl
Zusätzlich zur Komponentenform oder zur trigonometrischen Schreibweise kann jede komplexe Zahl in einer weiteren wichtigen Darstellungsart, der Exponentialform geschrieben werden. Sie leitet sich aus den Potenzreihen her, die anstelle der Sinus- und Cosinusfunktionen geschrieben werden.
Die Exponentialform zeigt deutlich, dass die im Abschnitt die Zeigerdarstellung in der Gaußschen Zahlenebene aufgestellte Bedingung zur eindeutigen Beschreibung von Wechselgrößen erfüllt ist. Die beiden Komponenten führen zur Zeigerlänge, dem Modul als skalaren Wert. Der Phasenwinkel φ ist das Argument der komplexen Größe. Alle drei Darstellungsformen komplexer Zahlen sind gleichberechtigt und ineinander umwandelbar.
Zeigerdiagramme in Komponenten- und Exponentialform
Der folgende Videoclip zeigt für einige Einstellungen der Real- und Imaginärkomponente oder dem Summenzeiger (Modul) und dem Phasenwinkel (Argument) die zugehörigen berechenbaren Werte. Die Zeiger werden entsprechend der Eingabewerte grafisch dargestellt.
Im zweiten Teil werden zwei Zeiger im 1. und 4. Quadranten frei platziert, wobei die jeweilige Exponentialform angezeigt wird. Die anschließende Berechnung ermittelt die zugehörigen Zeigerkomponenten. Die Komponentenformen werden angezeigt und der Summenzeiger wird grafisch dargestellt.
Konjugiert komplexe Zahlen
Wird der Zeiger einer komplexen Zahl an der reellen Achse gespiegelt, so erhält man den Zeiger der konjugiert komplexen Zahl. Dabei wechselt nur die imaginäre Komponente das Vorzeichen.
Die Multiplikation einer komplexen Zahl mit ihrer konjugiert komplexen Zahl ergibt ein reelles Ergebnis. Aufgrund dieser Tatsache können komplexe Nenner aus einem Gleichungssystem entfernt werden. Durch die konjugiert komplexe Erweiterung eines Bruches wird der Ausdruck im Nenner reell.
Addition und Subtraktion komplexer Zahlen
Die Addition und Subtraktion komplexer Zahlen wird mit der Normalform durchgeführt. Dabei gilt die Regel, dass ihre Realteile und ihre Imaginärteile addiert oder subtrahiert werden. Wird mit der trigonometrischen Darstellung gerechnet, müssen die entsprechenden Winkeltheoreme beachtet werden.
Multiplikation und Division komplexer Zahlen
Wird die Multiplikation oder Division komplexer Zahlen mithilfe der Exponential- oder Polarform ausgeführt, so sind bei der Multiplikation die Beträge zu multiplizieren und die Winkel zu addieren. Bei der Division werden die Beträge dividiert und die Winkel subtrahiert.
Mit einigen Rechenschritten mehr kann die Multiplikation und Division komplexer Zahlen kann auch aus der Komponentenform oder kartesischen Schreibweise heraus erfolgen.